BGH zur Kaufpreisdifferenzierung in Wohnungskaufverträgen

BGH, Urteil vom 23. Februar 2022 - VIII ZR 305/20
Zur Frage der Wirksamkeit einer differenzierenden Kaufpreisabrede, nach welcher eine Kaufpreisminderung bei Nichtausübung des Mietervorkaufsrecht eintritt.

1. Mietervorkaufsrecht und das Interesse des Erstkäufers

Bei Abschluss eines Kaufvertrages über vermietetes Wohnungseigentum steht dem Mieter unter bestimmten Voraussetzungen ein Vorkaufsrecht zu. Mit der Ausübung dieses Mieter-Vorkaufsrechts kommt zwischen dem zum Vorkauf berechtigten Mieter und dem Verkäufer ein neuer Kaufvertrag unter den Bestimmungen zustande, welche der Verkäufer mit dem ursprünglichen Käufer (sog. Erstkäufer) vereinbart hat. Der Verkäufer ist dann aus zwei Kaufverträgen verpflichtet.

Zum Schutz des Verkäufers wird regelmäßig im Kaufvertrag eine auflösende Bedingung oder ein Rücktrittsrecht geregelt. Im Ergebnis wird der Kaufvertrag zwischen Verkäufer und Mieter „übrig bleiben“ und der Kaufvertrag mit dem Erstkäufer rückabgewickelt werden.

Der Erstkäufer hat natürlich ein Interesse daran, dass das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt und der zwischen ihm und dem Verkäufer geschlossene Kaufvertrag durchgeführt werde.

Der BGH befasste sich in einer Entscheidung mit Regelungen in einem Wohnungs-Kaufvertrag, nach welchen der Kaufpreis für den Mieter bei Ausübung des Vorkaufsrechts höher sein soll als dieser bei Nichtausübung vom Erstkäufer geschuldet wird.

2. Kurzsachverhalt zum Urteil des BGH

Verkäufer und Erstkäufer haben einen Kaufvertrag über eine mit einem Mietervorkaufsrecht belastete Wohnung geschlossen. Der im Vertrag festgelegte Kaufpreis sei dann geschuldet, wenn (1) der Mieter sein Vorkaufsrecht ausübt oder (2) bis zu einem Monat nach der Beurkundung kein Mietverhältnis mehr zu dieser Wohnung bestehen würde. Dieser festgelegte Kaufpreis solle sich um 10 Prozent mindern, wenn die Wohnung vom Verkäufer vermietet an den Erstkäufer geliefert werde. Der Mieter würde damit im Falle der Ausübung des Vorkaufsrechts den festgelegten (ungeminderten) Kaufpreis, hingegen der Erstkäufer bei Nichtausübung des Vorkaufsrechtes lediglich den geminderten Kaufpreis für die dann noch vermietete Wohnung bezahlen.

Der Mieter übte das Vorkaufsrecht dennoch aus und es kam ein selbstständiger Kaufvertrag zu denselben wie zwischen dem Verkäufer und Erstkäufer vereinbarten Bestimmungen zustande. Nach den Regelungen im Kaufvertrag schuldet der Mieter den höheren Kaufpreis, da sowohl (1) das Vorkaufsrecht ausgeübt wurde, als auch (2) die gekaufte Wohnung mit Eigentumsübergang auf den Mieter nicht mehr vermietet sein wird (der Mieter kann nicht sein eigener Vermieter sein).

Der Mieter zahlte den (ungeminderten) Kaufpreis unter Vorbehalt und klagte auf Rückzahlung des 10-prozentigen Minderungsbetrages. Zu Recht?

3. Die Entscheidung des BGH

Der VIII. Zivilsenat des BGH vertritt die Auffassung, dass die Teilabrede zur Kaufpreisdifferenzierung ein „Vertrag zu Lasten Dritter“ sei. Ein unzulässiger und deshalb unwirksamer Vertrag zu Lasten Dritter liege vor, wenn durch ihn unmittelbar eine Rechtspflicht eines am Vertrag nicht beteiligten Dritten - ohne seine Autorisierung - entstehen solle. Die Abrede, der Mieter muss mehr zahlen als der Erstkäufer, benachteilige den Mieter als Dritten unangemessen.

Gegen diese Auffassung wurde vorgebracht, dass nach den vertraglichen Regelungen zumindest auch die Möglichkeit zur Zahlung eines höheren Kaufpreises durch den Erstkäufer bestanden habe (Ende des Mietverhältnisses einen Monat nach Beurkundung).

Der Bundesgerichtshof stützt sich in diesem Zusammenhang jedoch auf die gesetzlichen Regelungen, nach welchen dem Vorkaufsberechtigten keine anderen, insbesondere keine ungünstigeren Bedingungen treffen dürfen als den Erstkäufer. Ungünstig sei aber schon, dass der Erstkäufer unter bestimmten Voraussetzungen weniger zahlen müsse.

Es wurde zudem eingewendet, dass der Erstkäufer mit einer vermieteten Wohnung wirtschaftlich schlechter gestellt sei als der Mieter, welcher eine eigengenutzte Wohnung erwerbe und diese jederzeit unvermietet und damit zu einem höheren Kaufpreis verkaufen könne; aus diesem Grunde sei ein differenzierter Kaufpreis gerechtfertigt.

Bereits diesen Ausgangspunkt, dass vermietete Wohnungen stets nur mit einem Preisabschlag verkauft werden könnten, hält der BGH für nicht zutreffend. Selbst wenn ein solcher Preisabschlag jedoch einmal unterstellt werde, so unterstreicht der BGH den gesetzgeberischen Willen, nach welchem dem Mieter sogar ein wirtschaftlicher Vorteil zugutekommen solle. Hätte der Gesetzgeber anderes gewollt, so hätte er im Gesetz entsprechende Einschränkungen bei der Anwendbarkeit des Mietervorkaufsrechts im Vergleich zu den allgemeinen Bestimmungen des Vorkaufs geregelt.

Der BGH weiter: Intention des Gesetzgebers sei es nicht nur gewesen, den Mieter vor einer Verdrängung aus seiner Wohnung zu schützen (z.B. drohende Eigenbedarfskündigung durch Erwerber), sondern auch das Interesse des Mieters an einem Erwerb der Wohnung, insbesondere wenn dieser aus seiner Sicht günstig sei. Letztlich sei auch der Verkäufer nicht benachteiligt, da er eine in seinem Eigentum stehende vermietete Wohnung an den Erstkäufer verkauft und letztlich auch einen Kaufpreis für eine „nur“ vermietete Wohnung erhalte.

4. Ergebnis

Der VIII. Zivilsenat arbeitet in seinem Urteil vom 23. Februar 2022 heraus, dass differenzierende Abreden zum Kaufpreis zwischen dem Verkäufer und Erstkäufer, nach welchen der Mieter (Vorkaufsberechtigte) einen höheren Preis zu zahlen habe als der Erstkäufer, unwirksam seien mit der Folge, dass der Mieter die Wohnung zu dem für den Erstkäufer geltenden Kaufpreis kauft.

 

Leitsatz des BGH:

„Die in einem Kaufvertrag über eine mit einem Vorkaufsrecht des Mieters belastete Eigentumswohnung zwischen dem Vorkaufsverpflichteten (Verkäufer) und dem Dritten (Erstkäufer) getroffene Abrede, wonach der Vorkaufsberechtigte (Mieter) einen höheren Preis zu bezahlen hat als der Erstkäufer, stellt eine in Bezug auf den höheren Preis unzulässige und deshalb insoweit unwirksame Vereinbarung zu Lasten Dritter dar. Das gilt auch dann, wenn der Erstkäufer - wie in der hier zu beurteilenden Preisabrede vorgesehen - den höheren Kaufpreis nur ausnahmsweise (unter bestimmten engen Voraussetzungen) zu entrichten hat, während der Vorkaufsberechtigte diesen bei Ausübung des Vorkaufsrechts stets schuldet.“

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