Ist ein von Schließungsanordnungen betroffener Gaststättenpächter zur fristlosen Kündigung des Pachtverhältnisses berechtigt?

Neue Rechtsfolge bei coronabedingter Schließungsanordnung in dem Pachtobjekt „Gaststätte“!?
Urteil des LG Kaiserslautern vom 13.04.2021 zu 4 O 284/20

Der Kurzsachverhalt

Der Pächter betrieb seit dem Jahr 2000 eine Gaststätte. Mit Schreiben vom 07.04.2020 kündigte er den Pachtvertrag fristlos und ordentlich. Zur Begründung führte er u. a. an, dass die Gaststätte coronabedingt nicht zu dem vertraglich vereinbarten Zweck nutzbar sei. Die Parteien stritten über die Zahlungspflicht des Pächters in dem Zeitraum von Mai 2020 bis Februar 2021.  

Die Ansicht des Gerichts

Das Pachtverhältnis sei durch die Kündigung beendet worden. Die Kündigung sei wirksam. Dem Pächter sei durch die staatliche Schließungsanordnung der vertragsgemäße Gebrauch entzogen worden. Dieses behördliche Gebrauchshindernis habe die Tauglichkeit des Pachtgegenstandes zu dem vertraglich vereinbarten Gebrauch („Gaststätte“) in einer Weise aufgehoben, dass ein Mangel vorliege. Dabei komme es weder auf ein Verschulden des Verpächters noch auf eine Behebbarkeit des Mangels an. Dies folge § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Einer Abmahnung habe es dabei nicht bedurft, weil eine solche offensichtlich keinen Erfolg versprochen hätte.

Anmerkung

Das Urteil wirkt auf den ersten Blick als Ausreißer. Nach der wohl herrschenden - und in den Entscheidungsgründen nicht thematisierten - Meinung (vgl. zuletzt das OLG Frankfurt/Main mit Urteil vom 19.03.2021, 2 U 143/20, zu  dem Sachverhalt eines Mietvertrages im Einzelhandel für Damenoberbekleidung) liegt in vergleichbaren mietrechtlichen Fällen eben gerade kein Mangel des Mietobjektes vor, weil sich die behördlich angeordneten Einschränkungen nicht auf den Mietgegenstand auswirkten (sog. Objektbezogenheit), sondern auf den Betrieb des Nutzers. So wird bei Mietverträgen darauf hingewiesen, dass der Vermieter ja nur die Tauglichkeit der Räume zu dem vereinbarten vertragsgemäßen Gebrauch schulde. Jene Tauglichkeit des Mietobjektes bestehe bei solchen coronabedingten Schließungsanordnungen fort.

Auf den zweiten Blick wird die Entscheidung allerdings interessant, weil es in der möglichen Berufung auf die (von dem OLG Frankfurt/Main in der vorzitierten Entscheidung vom 19.03.2021 ausdrücklich offen gelassene!) Frage ankommen könnte, ob ein  Mangel in dieser Situation vorliegt, weil die Parteien einen Pachtvertrag abgeschlossen haben, bei welchem der Verpächter eben nicht lediglich die Überlassung von Räumen, sondern auch die Möglichkeit der Fruchtziehung schuldet; vgl. § 581 Abs. 1 S. 1 BGB der folgenden Wortlaut hat:

„Durch den Pachtvertrag wird der Verpächter verpflichtet, dem Pächter den Gebrauch des verpachteten Gegenstands und den Genuss der Früchte, soweit sie nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft als Ertrag anzusehen sind, während der Pachtzeit zu gewähren“.

Insoweit wird die (von dem LG Kaiserslautern nicht thematisierte) Ansicht vertreten, dass in Pachtfällen eine Betriebsuntersagung die Pflicht des Verpächters zur Gewährung der Fruchtziehungsmöglichkeit betreffe und daher das Verwendungsrisiko des Verpächters betroffen sei (vgl. dazu bereits Zehelein/Streyl, COVID-19, Miete in Zeiten von Corona, 2020, § 7, Rn. 8). Daher könnte die hiesige Entscheidung des LG Kaiserslautern mit einer anderen Begründung im Ergebnis dem Pächter zu dessen Recht verhelfen. Denn dass bei der Annahme eines derart schwerwiegenden Mangels ein Kündigungsrecht bestehen kann, steht rechtlich außer Zweifel.

Ausblick

Wird die in der Rechtspraxis selten streitentscheidende Frage der Abgrenzung zwischen Miet-, und Pachtverträgen im Zusammenhang mit der Lösung von Corona-Fällen an Bedeutung gewinnen? Es bleibt spannend.

 

Rechtsanwalt Frank Weißenborn
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

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