Heranziehungsbeschluss für Klage gegen Bauträger weiter nötig

Bei Mängelstreitigkeiten einer Wohnungseigentümergemeinschaft mit dem Bauträger bedarf es auch nach der WEG-Reform 2020 eines Heranziehungsbeschlusses. LG Berlin, Urteil vom 23. Dezember 2021, Az. 39 O 276/21

Der Fall

Die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft hatten Eigentumswohnungen vom Bauträger erworben. Wegen diverser Mängel beschlossen sie bei einer Eigentümerversammlung, die Mängelansprüche gemeinschaftlich als WEG zu verfolgen, sie fassten einen sogenannten Heranziehungsbeschluss. Zunächst leiteten sie gegen den Bauträger ein selbstständiges Beweisverfahren ein. Nachdem die Gutachten des Sachverständigen vorlagen, forderte die WEG den Bauträger fristgebunden auf, die Mängel, die sich aus den Gutachten ergaben, zu beseitigen. Da der Bauträger dem nicht nachkam, erhob die WEG Kostenvorschussklage.

Die Folgen

Das LG spricht der WEG den Kostenvorschuss in der beantragten Höhe zu. Bei einem Bauträgervertrag, also einem Kaufvertrag mit Bauverpflichtung, steht jedem Erwerber das werkvertragliche Gewährleistungsrecht zur Seite. Darüber hinaus ist auch eine WEG anerkanntermaßen zur Prozessführung befugt, wenn sie diese, originär den Erwerbern zustehenden, Rechte auf ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums durch Mehrheitsbeschluss an sich gezogen und deren gemeinschaftliche Durchsetzung beschlossen hat. Dies gilt auch, wenn nur noch ein einzelner Käufer gegen den Bauträger durchsetzbare Ansprüche haben sollte.

Die WEG tritt dann als Prozessstandschafter für die einzelnen Erwerber auf. Diese Beschlussfassung ist auch nach der WEG-Reform 2020 erforderlich. Denn die Möglichkeit, Mängelrechte zu vergemeinschaften, beruht nicht auf dem nunmehr entfallenen § 10 Abs. 6 WEG a.F.; das folgt aus der Gesetzesbegründung.

Was ist zu tun?

Das Urteil behandelt eine klassische Streitigkeit zwischen WEG und Bauträger. Wegen der Gesetzesänderung 2020 war – trotz der expliziten Klarstellung in der Begründung zum WEMoG – umstritten, ob ein Heranziehungsbeschluss noch nötig ist. Vereinzelt wird sogar vertreten, dass ein solcher Beschluss nun mangels Beschlusskompetenz nichtig sei. Dann hätte die Klage aufgrund fehlender Prozessführungsbefugnis als unzulässig abgewiesen werden müssen. Hierzu liegt nun zumindest eine erste landgerichtliche Entscheidung vor.

Denn die Möglichkeit der Vergemeinschaftung beruht nicht auf den bisherigen Regelungen des Wohnungseigentumsgesetzes, sondern auf der vertragsrechtlich geprägten BGH-Rechtsprechung der letzten Jahrzehnte. Diese gilt somit trotz der Gesetzesänderung durch das WEMoG weiterhin. In Auseinandersetzungen zwischen der WEG mit dem Bauträger bleibt damit alles beim Alten. Die Klage einer WEG scheitert also auch weiterhin nur dann an einem Formfehler, wenn sie keinen bzw. keinen ordnungsgemäßen Heranziehungsbeschluss fasst.

Rechtsanwalt Christian Hippel
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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